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AutorenbildValeria Bisaccia

Weihnachten mit einem Sternenkind

Weihnachten nach dem Tod eines Babys: 10 Überlebenstipps für Trauernde in der Weihnachtszeit.


Es ist kaum möglich Weihnachten zu entkommen. Ob du willst oder nicht. Weihnachten kriegt dich: der Weihnachtssong im Radio, der blickende Weihnachtsmann beim Nachbarhaus, ,,schöne Weihnachtszeit"- Grüße in der Mail der Kolleg*in, Tannenbäume an jeder Ecke. Und das Allerschlimmste: Whatsapp-Nachrichten mit fröhlich, weihnachtlichen Familienfotos. Und darunter ,,Frohe Weihnachten wünscht Familie XY". Noch eine Stufe schlimmer: Leute die erzählen, wie stressig ihr Weihnachten mit Kind ist.


Das alles ist für Trauernde oft heftig... heftig ist untertrieben. Es ist für manche kaum erträglich. Man fühlt sich übersehen. Nicht mehr Teil dieser fröhlichen, glitzernden, weihnachtlichen Gesellschaft.


Vielleicht hilft Vorbereitung, um Weihnachten besser zu überleben. Es ist auch für mich erst (oder schon?) das vierte Weihnachten mit und ohne meinem verstorbenen Kind, aber ich durfte schon ein bisschen Erfahrung sammeln. Deshalb hier für dich von mir: 10 Überlebenstipps für Weihnachten.

 

Tipp 1: Bye Bye Social Media


Social Media und Trauer sind schwer verträglich. Außer man hat ein Profil, in dem man hauptsächlich Trauernden folgt - dann kann z.B. Instagram ganz wohltuend sein. Häufig aber wird besonders zu Weihnachten vieles fröhlicher und schöner dargestellt, als es wahrscheinlich ist. Es schmerzt zu sehen, wie ,,vollständig" andere Familien sind. Tu dir das nicht an.


Tipp 2: Frohe Weihnachtsgrüße


,,Frohe Weihnachten" , damit konnte ich vor allem die ersten beiden Jahre nach dem Tod meines Sohnes nichts anfangen. Wie soll mein Weihnachten froh sein??? Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte mein Handy an diesem Tag einfach ausgeschaltet. Oder klarer kommuniziert, dass ich keine Weihnachtsgrüße will.


Seither hilft es mir, wenn ich selbst stimmigere Weihnachtsgrüße verschicke bzw. ausspreche - auch weil ich achtsamer geworden bin - es gibt sehr viele Menschen, für die Weihnachten nicht froh ist - auch wenn sie kein Leben betrauern. Ich sage gerne ,,Besinnliche Weihnachten" oder ,,Ruhige Weihnachten" oder ,,Gemütliche Weihnachten".


Tipp 3: Beschenke dein Kind


Kinder bekommen für gewöhnlich Geschenke zu Weihnachten. Es ist Weihnachten. Du hast ein Kind. Auch wenn es gestorben ist. Du kannst zum Beispiel eine Kerze mit Wachsstiften bemalen, ein Gedicht schreiben oder etwas Schönes basteln. Oder etwas Hübsches für den Gedenkplatz/das Grab kaufen. Oder einen schönen Tannenzapfen finden. Sicher fällt dir etwas ein. Du darfst deine Elternschaft leben.


Tipp 4: Steh für dein Kind ein


Verstorbene Kinder werden leider oft übersehen. Sie werden nicht mitgedacht. Das ist extrem schmerzhaft für die Eltern. Kaum auszuhalten. Es ist erschütternd. Ein Kind, das ganz eindeutig da war und irgendwo noch ist, wird einfach totgeschwiegen. Du kannst etwas dagegen tun. Rede von deinem Kind, sag, dass ihr nicht zu zweit Weihnachten ,,feiert" sondern zu dritt, oder zu viert oder zu fünft,... Sag, dass du dein Kind vermisst und dass Weihnachten schwer ist. Sag, dass du wünschst, dass dein Kind ein Geschenk bekommt, wenn es die lebenden Kinder auch bekommen,...Kurz: Sprich aus, was für dich Bedeutung hat.

Ich weiß dieser Tipp ist schwierig. Aber Elternschaft darf schwierig sein.


Tipp zum Tipp: Wenn dir das noch zu schwer fällt (verständlicherweise), hilft es dir vielleicht ein Whatsapp-Profilbild o.Ä. festzulegen, auf dem geschrieben steht, dass dein Kind bitte mitgedacht werden soll.


Tipp 5: Vorsichtig mit Zusammenkünften


Trauer kann sich anfühlen, als trägt man ein geöffnetes, zerbrochenes, zu großes Herz vor der Brust. Man fühlt sich sehr verletzt und sehr verletzlich.


Spüre gut hinein, welche Menschen dir, deinem Kind und deiner Trauer wirklich gut tun. Und welche nicht. Familientraditionen und beleidigte Familienmitglieder hin oder her. Es geht jetzt um dein Überleben und das hat höchste Priorität.


Tipp 6: Besinnung


Weihnachten ist eine Zeit der Besinnung. Der Liebe. Der Verbundenheit. Themen, die wir als Eltern eines verstorbenen Kindes sehr nah bei uns spüren können. Das sind Themen, über die uns unser Kind sicherlich sehr viel gelehrt hat. Besinnung, Liebe, Verbundenheit ist bzw. kann sehr präsent in unserer Elternschaft gelebt werden. Diese große Liebe zu deinem Kind fließen zu lassen, kann sooooo schön und beruhigend sein. Vielleicht kannst du die Weihnachtszeit fürs Verbinden mit deinem Kind nutzen.


Tipp 7: Gutes tun


In den ersten beiden Jahren habe ich für Kinder, die von Armut betroffen sind ein Weihnachtspaket zusammengestellt mit Spielsachen bzw. Utensilien für Kinder, die das Alter haben, das mein Sohn hätte. Das hat mir gut getan. Es gibt viele andere Möglichkeiten, um Gutes zu tun.


Tipp 8: Dankbarkeit spüren


Was mir häufig hilft, wieder wohltuende Trauer-Tränen fließen zu lassen ist, mir bewusst Zeit zu nehmen, um an die Menschen zu denken, die mir seit dem Tod meines Kindes in irgendeiner Weise geholfen haben oder helfen. Ich schicke ihnen dann eine Dankes-Nachricht oder manchmal schicke ich ihnen in meinen Gedanken gute Wünsche. Das tut mir gut. Meine Trauer fühlt sich durch die Rührung, die ich verspüre, sanfter an.


Tipp 9: Sprich's aus. Oder schreib's auf. Oder schrei.


Zum Teufel mit Positivität, Spiritualität, Dankbarkeit und Besinnung.

Sprich aus wie furchtbar es ist, dass dein Kind gestorben ist. Sprich aus, dass es so arg schmerzt, dass das kaum auszuhalten ist. Dass es für dich ein Überlebenskampf ist. Es ist wirklich so schlimm, wie es klingt. Da ist kein Fünkchen Positives dran. Gib dem Raum, das ist. Sprich es aus oder schreib es auf (aber sprechen ist oft noch effektiver, vor allem wenn jemand zuhört) oder mein Geheimtipp: Schrei!


Indem du zugibst, wie es wirklich für dich ist und mit all dem Schmerz in seiner wahnsinnigen Intensität verweilst, wird deine Trauer nicht schlimmer. Im Gegenteil: Sie erhält einen Raum und darf dann sanfter werden.


Tipp 10: Euer Weihnachts-Familien-Ritual


Neue Familienrituale zu Weihnachten entstehen häufig nachdem Kinder geboren werden. Zuvor werden meist Rituale aus der eigenen Kindheit übernommen. Wenn der Nachwuchs dann kommt, überdenken viele die Rituale und es entsteht Neues. Nun seid ihr Eltern geworden und Neues darf entstehen.

Wir gehen zum Beispiel immer Vormittags am 24. zum Grab mit Keksen, Tee und einem Tannenzweig von unserem Weihnachtsbaum. Am Grab lesen wir immer dasselbe Weihnachts-Kinderbuch vor und lassen einen Keks und den Tannenzweig am Grab.

Wichtig: Mach dir keinen Druck... die schönsten und stimmigsten Rituale entstehen ganz zufällig und nebenbei. Es ist vollkommen normal und okay, gar nichts besonderes zu machen.


Ich hoffe, die Überlebenstipps helfen dir ein klein wenig.


Trauer gut durch die Weihnachtszeit!


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